Zusammenfassung 27. Hülsenberger Gespräche - Digitalisierung in der Landwirtschaft
Die Methoden, Ziele, Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Landwirtschaft waren Gegenstand der 27. Hülsenberger Gespräche der H. Wilhelm Schaumann Stiftung in Hamburg. Ein hochkarätig besetztes Rednergremium beleuchtete beispielsweise die Landtechnikentwicklung, Robotik im Pflanzenbau und die Umsetzungsstrategien in der Tierhaltung.
Seit 1965 veranstaltet die H. Wilhelm Schaumann Stiftung alle zwei Jahre die Hülsenberger Gespräche, benannt nach dem Gut Hülsenberg in Schleswig-Holstein, dem ersten Veranstaltungsort der Hülsenberger Gespräche. Die Bandbreite der Themen reicht dabei von produktionstechnischen Themen wie Milch und Milcherzeugung über Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit bis hin zur landwirtschaftlichen Energieerzeugung und Nutzung agrarischer Biomasse. Die Tagung 2018 stand unter dem Motto Landwirtschaft und Digitalisierung. Wann hat das Zeitalter der Digitalisierung begonnen, welche Entwicklung hat die Digitalisierung der verschiedenen Produktionsprozesse in Pflanzen- und Tierproduktion bereits erreicht und wie werden dadurch zukünftig die Betriebsabläufe in der Landwirtschaft verändert?, fragte Dr. Wilhelm Weisthoff, Vorsitzender des Kuratoriums der H. Wilhelm Schaumann Stiftung. Antworten auf diese Fragen gaben die Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen wie Agrarwissenschaft, Biologie, Geowissenschaft und Informatik.
Ziele definieren und Umsetzung im Auge behalten
Die Agrartechnik-Firmen schlafen nicht, erklärte Professor Achim Walter von der ETH Zürich. Heute seien bereits zwei Drittel aller Maschinendaten in den USA miteinander vernetzt und der Trend halte weiter an. Es gelte vor allem die jungen Leute aus der Reserve zu locken, so der Referent. Sie seien der Schlüssel für die weitere Digitalisierung. Mit Augmented Reality sei es möglich junge Menschen aufs Feld zu bekommen und die Landwirtschaft weiter mit der Informatik zu vernetzen und nicht nur am PC Farmsimulator zu spielen. Es sollten zunächst die Ziele definiert und diese dann im Auge behalten werden. Wenn man weiß, wo man in zehn bis 15 Jahren stehen möchte, dann fällt es leichter, jetzt zu entscheiden, was man tun sollte, sagte der Wissenschaftler. Bei der Ausbildung der Agrarstudenten sei es zukünftig noch wichtiger, das mathematische Verständnis, Statistik, Bildverarbeitung e-learning und machine learning in die Lehrinhalte einzubeziehen, forderte Walter.
Gute Netzabdeckung schaffen
Wir brauchen eine gute Netzabdeckung auf dem Feld, sonst büxt uns der Roboter aus, stellte Gerhard Fettweis, Professor für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Dresden, fest. Da im ländlichen Raum nicht unbedingt die Mengen an Menschen vorhanden sind, die diese bezahlen, müssten viele Möglichkeiten wie Funkzellverdichtung und Funkzellerhöhung ausgeschöpft werden, so der Redner. Besonders die letztgenannte Maßnahme sei auf dem Land vielversprechend. Was vielen Teilnehmern nicht bewusst war: es gibt auch Optimierungspotential im Bereich der Fernsehfrequenzen. So nutzen etwa nur 5 % das terrestrische Fernsehen DVB-T, für das im Verhältnis sehr viele Funkfrequenzen blockiert werden. Wenn diese Fernseh-Funkfrequenzen für den Mobilfunk freigeschaltet werden würden, wäre viel in puncto Netzabdeckung auf dem Land erreicht, postulierte Fettweis. Eine andere Möglichkeit, die Mobilfunkversorgung zu verbessern, ist die Beauty Auction oder Beauty Contest, bei der die Vergabe von Frequenzen an Bedingungen wie z. B. einen weiteren Ausbau der Netzabdeckung gekoppelt ist.
Schwarm oder Großmaschine?
Landtechnik im Digitalisierungshype – evolutionär oder disruptiv?, lautete der provokante Titel von Professor Thomas Herlitzius von der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden. Wir haben immer größere Maschinen, deren Gewichte und Abmessungen Limits für Bodendruck und auch im Straßenverkehr erreichen, um Überfahrten zu sparen, müssen wir die Maschinen leichter machen, intelligenter gestalten und automatisieren, erklärte er. So sei etwa beim Mähdrescher der Wechsel von Schüttler zum Rotor mit einer verbesserten Leistung verbunden, die Leistungsdichte werde erhöht. Abhilfe bei dieser Entwicklung verschaffe auch die Verwendung von im Vergleich zu Metall leichteren Faserverbundstoffen, wie in der Automobilindustrie schon seit längerem üblich. Eine weitere Lösung bei der fortschreitenden Digitalisierung in der Landwirtschaft sieht Herlitzius bei den Cobotics (Collaborative Systeme), bei denen der Mensch im Prozess bleibt und Mensch und Maschine gemeinsam im Produktionsprozess arbeiten. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft sei eine Gratwanderung in Bezug auf Ausführung, Kosten und Folgen: Der Visionär stellt irgendwann fest, dass er Technik produziert hat, die keiner kaufen kann und der Bedenkenträger stellt irgendwann fest, dass er veraltete Technik hat, die keiner mehr kaufen will. Einige Hemmnisse der Digitalisierung in der Landwirtschaft seien inzwischen gelöst wie etwa die Akzeptanz, doch es bleiben viele Fragen bei den Kosten, der IT-Sicherheit und der Datenhoheit. Doch egal, ob sich in Zukunft eher die modularen kleinen Roboter oder die automatisierten Großmaschinen auf dem Feld durchsetzen, wir müssen darüber reden, unsere Ergebnisse publizieren und die Informationen in die Öffentlichkeit bringen, um die Gesellschaft mitzunehmen, ist sich Herlitzius sicher.
Datenflut managen und Grundlagen nicht vergessen
In weiteren Vorträgen wurden die Möglichkeiten und Systeme der Digitalisierung von vielen Seiten beleuchtet, etwa welche Techniken zur Echtzeit-Überwachung von Tieren es derzeit gibt und was hier in Zukunft vorstellbar ist, wie ein Mehrwert aus vorhandenen Daten bei der Wegeplanung oder Flurneuordnung gewonnen werden kann oder welche Gebäudetechnik die Digitalisierung im Stall von morgen mit sich bringt. Galileo Galilei und Johannes Keppler hatten als mittelalterliche Forscher wenig Daten aber gute Theorien, heute haben wir eine Datenflut, dürfen darüber aber nicht die Grundlagenforschung vergessen und nicht nur den Algorithmen folgen, die die IT-Fachleute entwickelt haben, fasste Professor Ernst Kalm, Vorsitzender des Vorstands der H. Wilhelm Schaumann Stiftung, zusammen.
© Angelika Sontheimer