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Zusammenfassung 29. Hülsenberger Gespräche - Ökosystemleistungen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung

Welche Versorgungs‐, Regulierungs‐ oder kulturelle Leistungen erbringen unsere landwirtschaftlichen Nutztiere? Mit dieser Frage befassten sich verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor kurzem auf den 29. „Hülsenberger Gesprächen“ der H. Wilhelm Schaumann Stiftung.

„Die Ökosystemleistungen unserer landwirtschaftlichen Nutztiere sind unerlässlich für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft“, erklärte Dr. Wilhelm Weisthoff, Kuratoriumsvorsitzender der H. Wilhelm Schaumann Stiftung. In einer Zeit, in der die Interaktion zwischen Mensch und Umwelt zunehmend in den Fokus gesellschaftlicher Diskussion rücke, sei es entscheidend, die Auswirkungen unserer landwirtschaftlichen Praktiken auf die umgebenden Ökosysteme zu verstehen und zu bewerten. Die Ökosystemleistungen unserer landwirtschaftlichen Nutztiere lassen sich unterscheiden in Versorgungsleistungen, also die Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen, Regulierungsleistungen durch die Regulierung des lokalen Klimas und Beeinflussung der Landdegradation, Unterstützungsleistungen mit der Bodenbildung und Nährstoffkreisläufen sowie die kulturellen Leistungen mit der Bereitstellung von Erholungsräumen.

Versorgung mit Fleisch und Fleischverzehr

Wer die landwirtschaftliche Tierhaltung hier einordnen will, muss sich unter anderem ihre ökonomischen Bedingungen anschauen. Diese seien aktuell geprägt von der allgemeinen Entwicklung auf internationalen Fleischmärkten, der Entwicklung der Preise und damit auch der Entwicklung der Produktion, führte Professor Martin Banse vom Thünen‐Institut in Braunschweig aus. Einen konkreten Einfluss auf die Fleischproduktion hätten beispielsweise die COVID‐Folgen, die russische Aggression gegen die Ukraine, ASP und Geflügelpest oder der Trend zu Vegetarismus und der Ernährung mit Fleischersatzprodukten bei einigen Bevölkerungsschichten. So gebe es sowohl in Deutschland als auch in der EU einige Regionen mit einer sehr hohen Bestandesdichte und Regionen mit sehr geringer Bestandesdichte an landwirtschaftlichen Nutztieren, was beides unterschiedliche Auswirkungen auf die Ökosystemleistungen hervorbringt. Generell sei in Europa ein sinkender Konsum an Fleisch festzustellen. „Die Rindfleischproduktion wird weiter sinken, die Schweinebestände werden aber noch deutlich mehr zurückgehen und der Gewinner ist die Geflügelfleischproduktion“, prognostizierte Banse die Entwicklung für Deutschland.

Grünlandnutzung zukünftig mithilfe von intelligenten Technologien

Die historische Entwicklung der Ökosystemleistungen bis zur Aussicht in die Zukunft bei weidegeprägten Haltungssystemen und Grünlandnutzungen beleuchtete Professor Johannes Isselstein von der Universität Göttingen. So haben weidebasierte Tierhaltungssysteme immer einen Einfluss auf den Bewuchs und damit die Gestaltung der Landschaft. Isselstein zeigte konkret die Veränderung der Landschaft durch eine extensive Beweidung mit Hirten vor gut 200 Jahren bis hin zu heutigen Beweidungsmethoden auf. Die Bereitstellung von Ökosystemleistungen ist abhängig von der Nutzung des Grünlands. Dabei sei die Heterogenität auf der Landschaftsebene wichtig, um diese kontinuierlich bereitzustellen. Der Referent brachte als Beispiel aktueller Forschungen den virtuellen Zaun, mithilfe dessen einzelne Areale vom Grasen ausgenommen und so etwa Kleinbiotope ausgezäunt oder wertvolle Pflanzenarten gezielt erhalten werden können. „Intelligente digitale Grünlandbewirtschaftungstechnologien wie Virtual Fencing sowie drohnen‐ und satellitengestützte Grünlandwirtschaft werden die Beweidung und damit die Bereitstellung von Ökosystemleistungen auf der Landschaftsebene deutlich verbessern“, war Isselsteins Fazit.

„Soll“ und „Ist“ klaffen aus Verbrauchersicht oft auseinander

Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung aus Verbrauchersicht basierend auf einer Verbraucherbefragung in Bayern stellte Professorin Jutta Roosen von der technischen Universität München vor. So werde das Image der Landwirtschaft von der Erwartungshaltung und der Wahrnehmung der Landwirtschaft beeinflusst. Die Befragten attestierten der Landwirtschaft beispielsweise durchaus ein positives Image im Bereich der Ernährungssicherung und nahmen auch die schwierige Situation der Landwirte wahr. Mehr als 80 Prozent der Befragten finden den Beitrag der Landwirtschaft zu den Ökosystemleistungen wichtig oder sehr wichtig, doch nur etwa 40 Prozent sieht diesen Anspruch in Bezug auf Ressourcenschutz (Boden, Wasser, Luft), Beachtung der Biodiversität und klimafreundliches Arbeiten erfüllt, konstatierte Roosen. Je „näher“ sich die Verbraucherinnen und Verbraucher sehen, umso mehr nehmen sie die Ökosystemdienstleistungen der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Tierhaltung wahr, doch, so Roosen, erfordere dies einen aktiven Kontakt der Landwirte zu den Verbrauchern, da die Nähe nicht allein durch einen ländlichen Wohnsitz entstehe.

Erst Teller, dann Trog und dann Tank

Mit der „Teller‐Trog‐Tank “‐Diskussion befasste sich Professor Wilhelm Windisch von der technischen Universität München. „Wir nähern uns den planetaren Grenzen der verfügbaren Ackerfläche“, stellte er fest. Während heute noch etwa 1.800 m² Ackerfläche weltweit pro Mensch zur Verfügung stehen, so werden es 2050 nur noch 1.400 m² sein. Die zukünftige Priorität werde daher lauten, erst der Teller, dann der Trog und dann der Tank. Dies lasse sich mit Nutztieren wie Wiederkäuern, die nicht-essbare Biomasse fressen und verwerten, sehr gut umsetzen.  „Die Verfütterung der nicht‐essbaren Biomasse an Nutztiere erzeugt einen doppelten Gewinn: mehr Dünger für die pflanzliche Nahrung und zusätzliche Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz. So macht die Priorisierung mit Teller‐Trog‐Tank am Ende sogar das Methan der Wiederkäuer klimaneutral“, lautete das Fazit des Redners.

© Angelika Sontheimer